Künstlerischer und handwerklicher Unterricht
Neben den auch an anderen Schulen üblichen Fächern gibt es an der Waldorfschule einen besonders vielfältigen Unterricht in künstlerischen und handwerklichen Fächern.
Die Entwicklung der entsprechenden Fertigkeiten mag in manchen Fällen eine Berufswahl oder eine lebenslange Liebhaberei anregen. Zunächst einmal sollen diese Unterrichte aber in besonderer Weise Helfer einer allseitigen und ausgewogenen Persönlichkeitsentwicklung sein.
Das gilt insbesondere auch für die Bewegungskunst der Eurythmie, deren Gebärdensprache teilweise an Bewegungsmuster des etwa gleichzeitig zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelten Ausdruckstanzes (Isadora Duncan, Mary Wigman) erinnert. Mit ihrem genau bestimmten Inventar von Gesten ist die Eurythmie darauf angelegt, Gefühltes und Gedachtes, von der Wortsprache oder von Musik angeregt, in der Bewegung des Körpers darzustellen. Ihre Möglichkeiten können – auch in Verbindung mit dem Schauspiel – zu eindrucksvollen Bühnendarbietungen genutzt werden. So endet der regelmäßige Eurythmieunterricht an unserer Schule mit einem großen Bühnenprojekt in Klasse 11 und über die Klassenstufen hin tritt die Eurythmie immer wieder mit kleineren und größeren Darbietungen auf der Bühne in Erscheinung. Ebenso aber wie bei dem auch an anderen Schulen üblichen Theaterspielen, das wir mit kleineren Projekten in vielen Klassenstufen und einem großen „Klassenspiel“ in der Klasse 8 und möglichst auch in der Klasse 12 pflegen, gilt auch für den Eurythmieunterricht, dass er die Kinder und Jugendlichen nicht zu Bühnenkünstlern erziehen, sondern ihre Denk- und Empfindungsfähigkeit, wie auch ihre Willenskraft fördern und harmonisieren soll. Gestärkt wird der Mut, sich zu zeigen, in der eigenen Individualität hervorzutreten und für andere wahrnehmbar zu werden, gestärkt wird ebenso die Fähigkeit, mit anderen unmittelbar, in gemeinsamer Bewegung zusammenzuwirken.
Vergleichbares lässt sich zu den anderen an unserer Waldorfschule stark vertretenen musischen Unterrichten, Musik und Orchester, Malen und Plastizieren sagen: die erworbenen „fachlichen“ Fähigkeiten können zu bereichernden Lebensbegleitern werden und manches Unterrichtsergebnis berührt und beeindruckt als Kunstwerk. Das eigentliche Ziel des Unterrichts aber ist es, die körperliche, seelische und geistige Entwicklung der Kinder und Jugendlichen jeweils altersgemäß zu fördern.
So unterrichten wir auch die Vielzahl handwerklicher Fächer nicht aus einer Liebhaberei für vorindustrielle Produktionsweisen, sondern weil in den handwerklichen Übungen mit der Geschicklichkeit der Hand das Denken, Fühlen und Wollen gleichermaßen angeregt und geschult werden. Die erworbenen Grundfertigkeiten in der textilen Arbeit, in der Holz- und Metallverarbeitung oder im Gartenbau, finden im weiteren Leben der Schülerinnen und Schüler bestimmt manche nützliche Verwendung. Pädagogisch wichtig sind sie aber auch für all jene, deren spätere Lebenssituation ihnen nicht Lust und Muße gibt, sich zum Beispiel Bekleidungsstücke selbst herzustellen oder manchen Gebrauchsgegenstand selbst zu schreinern und zu schmieden.
Ganz unabhängig von ihrer späteren Lebensführung sollen alle Kinder und Jugendlichen einen nicht nur theoretischen, sondern praktischen und selbst tätigen Einblick in die Techniken der Naturbearbeitung und Stoffumformung bekommen, die bis heute für den Erhalt und die Gestaltung unseres Lebens grundlegend sind. Von der elementaren eigenen Erfahrung aus erschließt sich dann auch der Zugang zu den modernen industriellen Techniken.
Das Anliegen, eine intensive praktische Erfahrung von kulturell grundlegenden Tätigkeiten zu bekommen, unterstützen auch die Praktika in der Oberstufe: das Forstpraktikum in Klasse 9, das Landwirtschaftspraktikum in Klasse 10 und das Sozialpraktikum in Klasse 11. Diese Praktika sind im Einzelfall anregend für die Berufswahl. Sie sollen aber unabhängig von der späteren Berufswahl alle Schülerinnen und Schüler mit Arbeits- und Lebenswelten vertraut machen, in denen Verantwortung für die Naturgrundlagen unseres Lebens und das Zusammenleben in der Gemeinschaft auf besondere Weise gefordert sind. Für die individuelle berufliche Orientierung bieten wir in Klasse 11 ein Berufsorientierungspraktikum an, in dem die Schülerinnen und Schüler in der Wahl der Praktikumsstelle vollkommen frei sind. Ferner wird aus dem Mathematikunterricht der 10. Klasse heraus in der Regel ein Feldmesspraktikum durchgeführt.
Umgang mit den „neuen Medien“
Keine Technik dürfte als Schlüsseltechnologie wissenschaftlicher und industrieller Entwicklung wie auch in der Veränderung unserer Lebenswelt heute einer größeren Dynamik und Wirksamkeit entfalten als die digitalisierte Datenverarbeitung. Ohne ein Grundverständnis der mathematischen und elektrotechnischen Grundlagen der heute ja in jeder Hand- und Hosentasche mitgeführten Hochleistungsrechenmaschinen, ist eine wache Zeitgenossenschaft kaum möglich. So wie es Rudolf Steiner 1919 für unerlässlich hielt, dass die Schülerinnen und Schüler der ersten Waldorfschule auch wüssten, wie z.B. eine Straßenbahn funktioniert, um nicht der falschen Magie einer undurchschauten, von Menschen gemachten „zweiten Natur“ zu erliegen, so ist es heute unerlässlich, dass die Kinder und Jugendlichen die Grundlagen der Computer und digitalen Medien verstehen und sich nicht nur von den virtuellen Welten, die diese hervorbringen, bezaubern lassen. Auch sollte im Laufe der Schulzeit Anwendungssicherheit in den jeweils verbreitetsten Programmen der Büro- und Kommunikationssoftware erreicht werden, weil ein Berufsleben, in dem solche Basiskenntnisse nicht schon als Einstiegsvoraussetzung gefordert wären, heute eher eine seltene Ausnahme sein dürfte. Diese Informationstechnische Grundbildung (ITG) vermitteln wir den Jugendlichen in einem gleichnamigen Unterricht in der Oberstufe.Wir halten es allerdings für einen voreiligen Schluss, dass es zur Vorbereitung auf ein Leben in der digitalisierten Welt erforderlich oder auch nur hilfreich wäre, die Lebens- und Lernumgebungen von Kindern und Jugendlichen frühzeitig und umfänglich mit digitalen Medien auszustatten. Im Gegenteil. Es liegen inzwischen eine Reihe von Studien aus den Bereichen der Neurologie, der Lernpsychologie und der Pädagogik vor, die den Verdacht erhärten, dass ausgiebiger Konsum digitaler Medien und die ausgiebige Nutzung solcher Medien in Lernumgebungen, die Entwicklung und das Lernen – insbesondere bei kleinen Kindern – nicht fördern, sondern behindern.*
Waldorfpädagogik setzt deshalb auf die unmittelbare sinnliche Erfahrung und die persönliche Begegnung als Lern- und Entwicklungshelfer.
* „Wer möchte, dass aus seinen Kindern Mathematiker oder Spezialisten für Informationstechnik werden, der sorge für Fingerspiele statt für Laptops in den Kindergärten. Und wer die Schriftsprache ernst nimmt, der sollte eher für Bleistifte als für Tastaturen plädieren.“ Manfred Spitzer: Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen. München 2012, S. 203. – Dazu passt der Hinweis des Erziehungswissenschaftlers Heiner Ullrich, dass „[g]erade die Computereliten – z.B. im Silicon Valley – [...] ihre Kinder mit Vorliebe in eine Rudolf Steiner School [schicken]“. Heiner Ullrich: Waldorfpädagogik: Eine kritische Einführung. Weinheim und Basel 2015, S. 7.Fremdsprachen
Der Unterricht in Englisch beginnt bei uns in der ersten Klasse, in der zweiten Klasse kommt Russisch hinzu. Da die Kinder in diesem Alter noch stark nachahmend lernen, gewinnen sie eine unmittelbare Vertrautheit mit dem Klang und Sprachgeist der Fremdsprachen. Neben dem Sprach- erwerb ist das Verständnis fremder Kulturen und dann auch der Blick aus der fremden Kultur und Sprache auf die eigene ein wesentliches Ziel des Fremdsprachenunterrichts an der Waldorfschule.
Ab der 6. Klasse kann alternativ zu Russisch auch Französisch gewählt werden. Alle Schülerinnen und Schüler haben unabhängig von dem Abschluss, den sie anstreben, die Möglichkeit, die zweite Fremdsprache bis zum Ende der 11. Klasse zu pflegen.
Religionsunterricht
Motive einer nicht konfessionellen, christlichen Religiosität, wie die Achtung und Ehrfurcht vor dem Lebendigen, die Verantwortung gegenüber den Mitmenschen und den Naturreichen oder die Hinwendung zu einem die materiellen Elemente und die einzelne Existenz übersteigenden Bedeutungszusammenhang menschlichen Lebens gehören zum Menschen- und Weltbild der Waldorfpädagogik und prägen so die Haltung, aus der heraus wir erziehen und unterrichten.
Den konfessionellen Religionsunterricht lassen die Kirchen (evangelische und katholische Kirche und Christengemeinschaft) durch ihre Vertreter in der Schule erteilen.
Für Kinder, die keinen konfessionellen Unterricht besuchen, wird von Lehrerinnen und Lehrern der Schule ein überkonfessioneller „Freier Christlicher Religionsunterricht“ angeboten.